Regeln sind für das Zusammenleben von Menschen unabdingbar. Sie bieten Orientierung und gewährleisten die soziale Ordnung. Kinder müssen das Verständnis für gesellschaftliche Regeln und Normen jedoch erst lernen. Bekanntermaßen üben Kinder im Spiel für das Leben – umso wichtiger ist das Regelspiel, der letzte große Meilenstein der kindlichen Spielentwicklung. In diesem Beitrag klären wir, wie Kinder ein Bewusstsein für Regeln entwickeln und dieses spielerisch trainieren.
Inhaltsverzeichnis
- Die Grundsätze des Regelspiels
- Darum sind Spiele mit Regeln so wichtig für Kinder
- Das Regelspiel – Die vier Stadien des Regelbewusstsein
Die Grundsätze des Regelspiels
Zunächst geht es darum, Regeln zu verstehen und einzuhalten, schließlich aber auch darum, diese zu modifizieren und Spiele zu erweitern. Grundlegend kann man das Verständnis für Regelspiele in zwei Kategorien unterteilen:
- Verständnis für die Grundfertigkeiten: Dazu gehört der richtige Umgang mit Spiel-Gegenständen z.B. Bälle zuwerfen, würfeln, Figuren oder Karten benutzen oder abzählen. Kinder erwerben diese Grundkenntnisse erst beim Ausprobieren der Spiele.
- Spielverständnis: Zum Verständnis für das Spiel gilt es, komplexere und individuelle Regeln zu erfassen und Strategie, Emotionalität, Kooperation sowie Wettstreit im Spiel kennenzulernen.
Das Regelspiel setzt grundlegende Fähigkeiten voraus, die Kinder in anderen Arten des Spiels erwerben: Mittels ihrer Sinne die Umwelt zu erforschen und den eigenen Körper sowie externe Objekte als Spielzeug zu benutzen, lernen Kinder im Objektspiel. Im Fantasiespiel oder Rollenspiel geht es darum, sich in Rollen hineinzudenken und sich Objekte vorzustellen. Das Konstruktionsspiel verknüpft beides miteinander: Hier gilt es mit Hilfe von Werkzeugen und Materialien etwas nach eigenen Vorstellungen zu konstruieren.
Darum sind Spiele mit Regeln so wichtig für Kinder
Sobald bloße Bewegungsabläufe wie Rennen oder Springen keine Herausforderung mehr darstellen, wenden sich Kinder an Spielgefährten. In gemeinsamer Absprache wird festgelegt, wie gerannt und gesprungen werden soll. Das Zusammenspiel mehrerer Beteiligter macht den sozialen Aspekt des Regelspiels deutlich. Denn Kinder müssen lernen, sich nach den vorgegebenen Regeln zu richten und mit den Konsequenzen umzugehen, wenn sie die Regeln missachten. Das erfordert ein hohes Maß an Selbstkontrolle. Egal, ob Sportspiel oder Gesellschaftsspiel: ein verbindlicher Spielablauf bedeutet stets persönliche Einschränkungen. Auch Übereinkünfte, Absprachen und Fairness sind Teil des Regelspiels, besonders, wenn es um Wettbewerbssituationen geht. Soll das Spiel gelingen und Spaß machen, müssen Kinder sich an die Richtlinien halten. So lernen sie, dass das Befolgen von Regeln zu einem positiven Ergebnis und zur erfolgreichen sozialen Interaktion mit anderen Kindern führt.
Das Regelspiel – Die vier Stadien des Regelbewusstseins
Laut Jean Piaget, dem Pionier der kognitiven Entwicklungspsychologie, ist ein Kind ab dem siebten Lebensjahr fähig, Regeln zu befolgen. Ab dem neunten Lebensjahr beginnt es jedoch erst, ein tatsächliches Bewusstsein für Regeln zu entwickeln. Dabei durchläuft ein Kind vier Entwicklungsstadien:
1. Individuelle Riten
Im ersten Stadium ist das kindliche Spiel von motorischen Tätigkeiten ohne tatsächlichen Zusammenhang geprägt. Während der ersten fünf Lebensjahre wird diese Spielform durch das Objektspiel und das Fantasiespiel erweitert. Das Kind entwirft Muster für das eigene Handeln. Es legt spezifische Abläufe fest, bestimmt die dafür notwendigen Gegenstände und entwickelt einen Symbolismus, der die Basis für das Regelverständnis bildet.
2. Das egozentrische Verständnis von Regeln
Im zweiten Stadium beginnt das Kind, bereits bestehende Regeln nachzuahmen und daraus Gesetzmäßigkeiten zu bilden. Diese müssen aus Sicht des Kindes dringend eingehalten werden. Da sie jeweils von nur einem einzelnen Kind erschlossen werden und auch nur für besagtes Kind gelten, nennt Piaget sie egozentrisch.
3. Kooperatives Spielen
Das dritte Stadium zeichnet sich dadurch aus, dass Kinder allmählich mit anderen Kindern kooperieren. Die Kleinen möchten das Spiel der anderen Kinder verstehen und sie im Spiel übertrumpfen. Das funktioniert nur, wenn sie sich nach anderen Regeln richten. Aus dem egozentrischen Spiel wird folglich ein soziales, kooperatives Spiel mit neuen Gesetzen.
4. Regeln als Ergebnis von Vereinbarungen
Das vierte und finale Stadium beinhaltet das Verstehen und Umsetzen von Regeln. Kinder können sich dadurch erfolgreich an ihre Mitspieler anpassen. Gleichzeitig kommen sie zu der Realisation, dass Regeln verändert werden können. Insofern sich die Beteiligten darauf einigen, sind Abwandlungen oder Erweiterungen der bisher bestehenden Regeln nun umsetzbar.
Mit etwa zehn Jahren kommen Regelspiele bei Kindern am besten an. Anschließend reicht diese Vorliebe oft bis ins hohe Alter. Kein Wunder – gemeinsame Spiele machen einfach Spaß. Dabei gibt es Spieleklassiker, die wirklich immer Schwung in den Alltag bringen. Tolle Ideen für drinnen und draußen finden Sie in unserem Blogbeitrag „Alte Kinderspiele neu entdeckt“.
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