Bildung durch Bewegung fördern? Das klingt zwar wie ein neuer, innovativer Ansatz – ist aber eine durch die Entwicklungsgeschichte des Menschen belegte Tatsache: Bewegung, Lernfähigkeit und Bildung sind aufs Engste miteinander verbunden. Der Mensch verfügt über eine einzigartige Bewegungs- und Aktivitätsstruktur, deren Entwicklung sich vor allem während der ersten Lebensjahre zeigt. Kinder sind immer in Bewegung – sogar schon vor der Geburt. Sie lernen, indem sie die Umwelt im wahrsten Sinn begreifen und mit dem ganzen Körper wahrnehmen.
Inhaltsverzeichnis
- Bewegung fördert Bildung – viele Studien weisen deutlich darauf hin
- Wo bleibt der Raum für bildungsfördernde Bewegung?
- Sitzen bleiben? Nein Danke! Die Zusammenhänge zwischen Bildung und Bewegung
- Fazit – Bildung und Bewegung
Bewegung fördert Bildung – viele Studien weisen deutlich darauf hin
Eine international anerkannte Studie der Wissenschaftlerin Josie Booth der Universität Dundee mit dem Titel „Regular exercise improves children’s academic results“ (dt. Regelmäßige Bewegung verbessert akademische Ergebnisse von Kindern) unterstützt die Position, dass sich vor allem bei Mädchen eine deutliche Verbesserung in naturwissenschaftlichen Fächern zeigt, wenn sie regelmäßig und langfristig Sport treiben. Josie Booth spricht zum Thema „Why be more active? The lesser-known benefits of physical activity“ (Warum mehr aktiv sein? (dt. Die eher unbekannten Vorteile von körperlicher Aktivität) im Rahmen eines TEDx Talks.
Auch Marko Kantomaa, ein finnischer Wissenschafter, der sowohl am Finnish Research Center for Sport and Health Sciences und am Imperial College of London forscht, ist der Meinung, dass Sport und Bewegung sich positiv auf Sozialverhalten, schulische Leistungen und kognitive Entwicklung auswirkt. In einem Interview mit Juha Villanen von Muuvit!, einer Gesellschaft, die sich der Gesundheitsförderung von Kindern und Jugendlichen verschrieben hat, empfiehlt Kantoma Schulen und Entscheidungsträgern zum Thema „Bewegung und Bildung“ folgendes: Bewegung sollte frühzeitiger und häufiger in den Unterricht integriert und als Lernhilfe genutzt werden. In Freistunden sollten Aktivitäten unterstützt werden. Auch der Schulweg kann als „Trainingsmöglichkeit“ genutzt werden. Eltern empfiehlt er, dass diese ihren Kindern körperliche Aktivität zu ermöglichen und sie zu ermutigen, sich auf auf neue Erfahrungen einzulassen. außerdem sollten sie auch selbst aktiv werden.
Wo bleibt der Raum für bildungsfördernde Bewegung?
In einem Vortrag von Prof. Dr. Dörte Detert, den sie im Rahmen der 1. gemeinsamen Bildungskonferenz von LSB Landessportverband Niedersachsen e. V.) und dem NTB (Niedersächsicher Turnerbund) hielt, ging es um „Bildende Prozesse im Sport„. Hier stellt die Professorin der Hochschule Hannover, Fachgebiet Heilpädagogik, folgende Frage, die zeigt, wie sehr die Praxis noch von der Theorie entfernt ist: „Warum braucht es eine bewegte Schule, für das sich die Pädagoginnen zum Teil rechtfertigen müssen, weil sie anscheinend andere Bildungsbereich vernachlässigen?“
Die Frage zeigt aber auch, dass die Verbindung zwischen Bewegung und Bildung immer mehr in Fokus gerät. Kein Wunder, wird doch von vielen Studien und Wissenschaftlern bestätigt, dass Bewegung unterschiedlichste Aspekte von Bildung im weitesten Sinn fördert:
Bewegung
- fördert Gesundheit und körperliches Wohlbefinden
- unterstützt Sprachentwicklung und kognitive Entwicklung
- stärkt soziale Kompetenz
- steigert Konzentration und Lernfähigkeit
- ist ein Stimulus für Intelligenz und Kreativität
- ist gut für Resilienz und Selbstbewusstsein
Die Relevanz der motorischen Fähigkeiten sind in der medizinischen Forschung, der Kinder- und Jugendpsychologie sowie in der Sportpädagogik unbestritten. Gut entwickelte motorische Fähigkeiten schützen sogar einen lebenslangen Schutzfaktor vor Zivilisationskrankheiten. Trotzdem haben sich die Möglichkeiten zur körperlichen rapide verschlechtert. Verbauung und Zersplitterung von Spiel- und Lebensräumen, der geradezu süchtig machende Sog von digitalen Angeboten und komplexere Anforderungen an die Familienstruktur machen es immer schwieriger für Kinder, „in Ruhe“ und Freiheit zu spielen.
Sitzen bleiben? Nein Danke! Die Zusammenhänge zwischen Bildung und Bewegung
Prof. Dr. Rolf Schwarz, Dipl. Päd., Institut für Bewegungserziehung und Sport (IfBS), Pädagogische Hochschule Karlsruhe, schreibt in seinem Artikel „Optimierter Außengelände- und Spielzeugbau für bessere Bildungsförderung“ für das renommierte, internationale Fachmagazin playground@landscape, dass sich Kinder in Deutschland auch gerne mehr bewegen würden – wenn sie nur eben die Möglichkeit dazu hätten! In der Studie „Bewegungsverhalten von Krippenkindern – Sedentarismus als Gefahr für die Bildung und Gesundheit von Ein- bis Dreijährigen?“ von Rolf Schwarz, Ulrike Ungerer-Röhrich und Susanne Przybilla werden die Risiken, die durch seditäre, also überwiegend sitzende, Verhaltensweisen entstehen erläutert. Schwarz erläutert weiter im Artikel, dass der innerhäusige Wohnraum noch nie so groß war wie heute – Kinder und Jugendliche sind also überwiegend in Innenräumen, sitzend und „chillend“.
Zusammen mit dem schrumpfenden Freiraum im Außenbereich führt das zu zunehmend reduzierten Bewegungsmöglichkeiten. Dies wirkt sich natürlich auch auf die körperliche Verfassung von Kindern und Jugendlichen aus: Übergewicht und sogar Adipositas nehmen immer mehr zu.
„Fragten sich die Bewegungs- und Sportwissenschaften bislang primär, wie viel (Umfang), wie oft (Häufigkeit) und wie stark bzw. heftig (Intensität) sich Kinder körperlich-sportlich aktiv zeigen, sollte der Fokus nunmehr auch auf die weitaus näher liegende Frage gerichtet werden, wo sich diese Kinder und Jugendlichen überhaupt bewegen können und dürfen.“
Prof. Dr. Rolf Schwarz: Optimierter Außengelände- und Spielplatzbau für bessere Bildungsförderung in playground@landscape
So werden nach Schwarz durchdachte, ansprechende und zugängliche Spielräume immer wichtiger.
Fazit – Bildung und Bewegung
Es gibt einen großen Zusammenhang zwischen Bildung und Bewegung – bzw. viele Zusammenhänge auf mehreren Ebenen! Doch der Raum, sich frei zu bewegen, die eigenen Grenzen auszuloten und regelmäßig aktiv zu sein, wird immer knapper. Deshalb sollten die wertvollen Räume, auf denen sich Spielanlagen befinden, bis ins Detail von Spielanlagen-Experten geplant werden.